Wirtschaft sieht Mythos der Schweiz als Steueroase widerlegt

von Insolution Team

Während die Schweiz außerhalb ihrer Grenzen als Niedrigsteuerland gilt, ringen die Eidgenossen selber darum, wie sie ihre Steuern weiter senken. Dabei geht es ihnen nicht nur um Sonderregelungen für Ausländer oder um Steuersenkungen innerhalb einzelner Kantone, sondern um eine grundlegende Steuerreform.

HB ZÜRICH. Eine Unternehmensteuerreform steht kurz bevor. Einen Vorstoß mehr zu tun, hat jetzt der Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse unternommen. Eine umfassende Steuerreform auf Bundesebene sei entscheidend, um die Standortattraktivität der Schweiz zu verbessern, schreibt Pascal Gentinetta von Economiesuisse und stößt damit innerhalb der linken Parteien auf heftige Kritik.

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die offizielle OECD-Fiskalquote, die den Schweizern bescheinigt, mit einer Quote von unter 30 Prozent zu den fünf steuergünstigsten Industrienationen der Welt zu gehören. Deutschland liegt in dieser Statistik, die von Schweden angeführt wird, auf einem gar nicht so üblen Mittelplatz.

Economiesuisse weist nun in ihrer neuesten Veröffentlichung nach, dass die offizielle Statistik für die Schweiz wichtige Besonderheiten verbirgt. Sie erfasst zum Beispiel nicht jene Abgaben, die die Eidgenossen an privatrechtliche Einrichtungen zahlen müssen. Damit sind etwa Pensionskassen gemeint, die in dem Land, das vor allem auf die private Altersvorsorge setzt, eine große Rolle spielen. Damit sind aber auch Krankenkassen und Unfallversicherungen gemeint, die ebenfalls Pflicht, aber privat finanziert sind. Diese „Zwangsabgaben“, wie Economiesuisse sie nennt, sind in der Schweiz so hoch, wie in fast keinem anderen Industrieland der Welt. Die hohen zusätzlichen Abgaben, um die kein Weg herum führt, sind laut Gentinetta ein Grund für das regelmäßig schwache Wirtschaftswachstum in der Schweiz. Economiesuisse sieht dadurch den „Mythos der unantastbaren steuerlichen Stellung der Schweiz“ widerlegt und fordert eine große Steuerreform.

Die Regierung in Bern dagegen hat sich nach mehrjähriger Beratung in diesem Jahr nur zu einem „Reförmchen“ durchgerungen, das nach Möglichkeit vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Die geplante Unternehmensteuerreform soll vor allem Investoren entlasten, die unternehmerisch tätig sind. Die Reform sieht gegenüber heute folgende Änderungen vor: Für Dividenden aus Beteiligungen im Privatvermögen wird eine Teilbesteuerung eingeführt. Veräußerungsgewinne bleiben steuerfrei. Im Geschäftsvermögen sollen sowohl Dividenden als auch Veräußerungsgewinne der Teilbesteuerung unterliegen. Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen sollen weniger Steuern zahlen müssen. Die Regierung rechnet mit umgerechnet rund 27 Mill. Euro, die weniger in die Kassen des Bundes fließen und hofft wie jeder Initiator von Steuerreformen, diesen Verlust durch mehr Wachstum wettzumachen.

Das Parlament, das mehrheitlich von rechten Parteien beherrscht wird, dürfte diese Reform umsetzen, wobei die Kritik von links allerdings unüberhörbar sein wird. Sozialdemokraten und Alternative lassen schon jetzt keine Gelegenheit aus, um die „unfairen Steuerpraktiken“ der Schweiz zu kritisieren. So hat der linke Abgeordnete Josef Zisyadis seinen Umzug in den Kanton Obwalden angekündigt. Obwalden hatte jüngst seine Steuern massiv gesenkt, nachdem dies in einer Volksabstimmung gutgeheißen worden war. Gegen das Verfahren können nur Bürger mit Wohnsitz in Obwalden klagen. Zisyades nimmt deswegen medienwirksam seinen Umzug in Angriff. Ein Dorn im Auge ist der politischen Linken auch die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung, die vermögende Ausländer in Anspruch nehmen können. Weil Schweizer nicht in den Genuss dieses Privilegs kommen, sieht der alternative Zürcher Abgeordnete Niklaus Scherr die Rechtsgleichheit verletzt, die Steuermoral untergraben und die Korruption begünstigt.

Quelle: Oliver Stock Handelsblatt

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