Die englische Limited in Deutschland – quo vadis?
von Insolution Team
Die neuere Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes
(„EuGH“) zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften gemäß Art. 43, 48
EG-Vertrag (EuGH C-212/97 (Centros) Slg. 1999, I-1459; EuGH C-167/01 (Inspire
Art), Slg. I–10155) steht stellvertretend für Sachverhalte, an denen sich in
Europa der Streit um die Kontrolle ausländischer Kapitalgesellschaften durch den
Sitzstaat am häufigsten entzündet: Eine nach englischem Recht gegründete Private
Company Limited by Shares, kurz eine Limited („Ltd.“), wird nicht in
Großbritannien, sondern ausschließlich im Sitzstaat tätig.
Kein
Mindestkapital bei der Limited
Diese Situation ist u. a. deswegen
explosiv, weil die Gründer einer Limited kein Mindestkapitaler-fordernis
erfüllen müssen, so dass zumindest die Verfechter eines solchen
Gläubigerschutzins-truments eine besondere Gefahr für Gläubiger fürchten, wenn
diese – auch in Großbritannien sehr populäre – Gesellschaftsform gewählt wird.
Umgekehrt liegt in dieser kapitalmäßigen Laxheit, der weitgehenden
Gestaltungsfreiheit der Gründer bei der Konzeption der gesellschaftsrechtlichen
Innenverhältnisse sowie der recht unbürokratischen, kostengünstigen und schnell
abzuwickelnden Gründungsprozedur für Gesellschaftsgründer der größte Vorteil,
den eine Inkorporation im Wege der Limited statt einer GmbH mit sich
bringt.
Leichte Gründung
Die fortschreitende
Digitalisierung und Elektronisierung des Rechtsverkehrs und die Verbreitung der
englischen Sprache tun ein Übriges, um die Gründung einer Limited durch
ausländische Gründer zu erleichtern. So ist eine Gründung am gleichen Tag gegen
eine erhöhte Gebühr möglich. Sowohl für den dänischen als auch für den
niederländischen Gesetzgeber war das verstärkte Auftreten von Gesellschaften in
der Rechtsform der Limited Anlass genug, gesetzliche Sonderregelung für solche
Auslandskapitalgesellschaften mit Sitz im eigenen Land zu verabschieden.
Bekanntlich wurden diese Ausnahmebestimmungen vom EuGH in Centros und Inspire
Art für europarechtswidrig erklärt.
Ungeklärte Fragen
Überlegungen, ob eine englische Limited anstelle einer GmbH einen
effektiveren rechtlichen Rah-men für wirtschaftliches Handeln in Deutschland
bietet, bestimmen die gesellschaftsrechtliche De-batte als Folge dieser Urteile.
Dienstleistungsgesellschaften bieten dem Interessierten teilweise so-gar über
das Internet die Gründung einer englischen Limited auf schnellem Wege an. Die
Entschei-dung, kurzfristig und recht kostengünstig eine Gesellschaft gründen zu
können, bedeutet aber noch nicht, mittel- oder langfristig die rechtlich
sinnvollste Lösung gefunden zu haben. Viele Fragen sind noch ungeklärt. Die
Verwaltung und Beratung einer englischen Gesellschaft, die in Deutschland am
Wirtschaftsverkehr teilnimmt, kann sehr schnell Kosten und Zeit beanspruchen, da
Kenntnisse des deutschen und englischen Rechts inklusive notwendiger
Sprachkenntnisse etc. erforderlich sind, die in der Gründungseuphorie häufig
übersehen werden.
Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts ...
So ist insbesondere noch ungeklärt, ob und ggf. in welchem Umfang
deutsches Kapitalgesell-schaftsrecht (z. B. die Vorschriften zum
Kapitalerhaltungsinteresse gemäß §§ 30, 31 GmbHG, Kapitalersatzrecht nach § 32
a, 32 b GmbHG sowie § 135 InsO, die Grundsätze der
Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 GmbHG i. V. m. §§ 17, 19 InsO sowie die
Grundsätze zur Existenzvernichtungshaftung) Anwendung finden oder ob sich der
Gläubigerschutz künftig allein nach englischem Recht beurteilt, welches die
deutschen Gerichte anzuwenden hätten.
... wurde vom BGH verneint
Der Bundesgerichtshof („BGH“) judizierte in seinem jüngsten Urteil zur
Geschäftsführerhaftung einer englische Limited (Urteil vom 14.03.2005 – II ZR
5/03, NJW 2005, 1648 ff.), dass sich die Haftung des Geschäftsführers für
rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England
gegründeten Limited mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik
Deutschland nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht, also englischem
Recht, richten würde.
Ferner bestätigte der BGH, dass es der
Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG entgegenstünde, den Geschäftsführer
einer solchen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland wegen fehlender
Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlich Handelnden Haftung
analog § 11 Abs. 2 GmbHG für deren rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu
unterwerfen.
Trotz der oben angedeuteten unsicheren Rechtslage, scheinen
sich Unternehmer in Deutschland nicht davon abhalten zu lassen,
Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der Limited zu gründen. Die geschätzte
Zahl der derzeit in Deutschland gegründeten Limiteds liegt bei ca. 15.000 bis
18.0000.
Ob sich die verschiedenen Gesellschaftsrechte der
EU-Mitgliedschaften ein „race to the bottom“ mittel- bis langfristig liefern
werden, bleibt abzuwarten. Sicherlich ist die englische Limited dabei eine
Rechtsform, die insbesondere die schwerfälligen deutschen Regelungen zu
Kapitalaufbringung und Kapitalersatz schlecht aussehen lässt.
Quelle:
Commercial, Litigation & Arbitration
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