Die Wiedergeburt der GmbH in Deutschland
von Insolution Team
Gegen „Firmenbestatter“
Das Gesetzesprojekt,
dessen Referentenentwurf vom 29. Mai 2006 intensiv auch auf dem Deutschen
Juristentag diskutiert wurde, wollte zunächst einerseits die „organisierte
Bestattung von Kapitalgesellschaften“ bekämpfen. Sie wird in erster Linie
dadurch bekämpft, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine öffentliche
Zustellung an Gesellschaften möglich wird. Bei Wegfall des Geschäftsführers
werden die Gesellschafter zur Insolvenzantragstellung berechtigt und
verpflichtet.
Zudem will die Reform eine Antwort auf die
„Herausforderung Limited“ geben – also die Tatsache, dass nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs inzwischen auch ausländische
Gesellschaftsformen im Inland gewählt werden können. Sie besteht vor allem in
einer deutlichen Herabsetzung des bei einer GmbH-Gründung zwingend
aufzubringenden Mindestkapitals von 25 000 Euro auf 10 000 Euro. Denn in den
meisten anderen Rechtsordnungen wird die Aufbringung eines Mindestkapitals nicht
oder nur in geringerem Umfang als bei uns verlangt. Wie man darauf reagieren
sollte, gehört zu den am hitzigsten diskutierten Fragen des deutschen
Gesellschaftsrechts: Die einen stellten die Bedeutung einer ausreichenden
Kapitalisierung von GmbHs in den Vordergrund und forderten gar die Heraufsetzung
der Kapitalziffer. Andere wiesen darauf hin, dass das anfangs einmal eingezahlte
Kapital keinerlei Rückschlüsse auf künftige Solvenz gestatte. Auch könne es
insbesondere im Dienstleistungsbereich unangemessen hoch
sein.
Salomonische Lösung
Der Gesetzentwurf schlichtet
diesen Streit mit der nunmehr beschlossenen Herabsetzung auf moderate 10 000
Euro (von denen zudem nur die Hälfte eingezahlt werden muss) salomonisch. Jürgen
Gehb, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hielt selbst die
Herabsetzung – zu Recht – noch nicht für ausreichend und forderte gar die
Schaffung einer neuen Rechtsform, der Unternehmergesellschaft (UG). Dem
Regierungsentwurf gelingt hier fast die Quadratur des Kreises, indem er diese
scheinbar unvereinbaren Pole in seinem § 5a GmbH-Gesetz miteinander versöhnt.
Danach wird die UG als Variante der GmbH ins GmbH-Gesetz integriert, die ohne
zwingende Mindest-Kapitalaufbringung ins Werk gesetzt werden kann. Entscheidend
ist allein die besondere Firmierung als „Unternehmergesellschaft“, die als
Ausgleich für ein gleich zu Anfang eingezahltes Kapital ihr Kapital durch
Rücklagenbildung aus den Gewinnen ansparen muss.
Diese Idee ist gut
und legt die Frage nahe, warum dies nicht für die GmbH insgesamt gelten soll –
und dann auch dort auf die faktisch nur noch 5000 Euro Kapitalaufbringung
verzichtet werden kann. Schließlich stehen nach einer Untersuchung der Weltbank
die Gläubiger von (in England ansässigen) Limiteds besser dar als die von
deutschen GmbHs, so dass es darauf nicht wirklich ankommen
kann.
Auch ohne Notar
Eine weitere von Gehb
zunächst nur für die Unternehmergesellschaft vorgeschlagene Neuerung soll
demgegenüber nach dem Regierungsentwurf auf alle GmbHs angewandt werden: die
Möglichkeit der bloßen Schriftform mit Beglaubigung für den Abschluss des
GmbH-Gesellschaftsvertrags, wenn dafür eine vom Gesetzgeber vorgegebene
Mustersatzung verwendet wird. Das ist ein überzeugender Beitrag zur
Deregulierung und entspricht der Sache nach der Lage auch bei der englischen
Limited. Die deutschen Notare werden dies im Ergebnis begrüßen. Denn es entfällt
zwar die Beurkundung bei der Gründung, aber die Billig-Gründer werden spätestens
bei der ersten Anpassung des Gesellschaftsvertrags den Rat des deutschen Notars
suchen – und nicht in die Fänge teilweise obskurer Berater von
Auslandsgesellschaften geraten.
Neu vorgeschlagen wird im
Regierungsentwurf auch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von
GmbH-Anteilen, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der
Gesellschafterliste eingetragen ist. Der „Abwehr von Auslandsgesellschaften“
dient auch eine andere Maßnahme, die im Regierungsentwurf erstmalig vorgesehen
ist: die Verlagerung der gesetzlichen Insolvenzantragspflichten (§ 64 Absatz 1
GmbH-Gesetz) in das Insolvenzrecht, wo sie nunmehr rechtsformneutral für alle
juristischen Personen geregelt sein sollen (künftig § 15 a Insolvenzordnung).
Das damit verfolgte Ziel des Gläubigerschutzes gegenüber den sicher zu einem
erheblichen Teil missbräuchlich im Inland betriebenen Auslandsgesellschaften
(inzwischen wohl schon mehr als 40 000) ist sicher zu begrüßen. Ob es gegen
diese durchgesetzt werden kann, ist freilich – nicht zuletzt aus
europarechtlichen Gründen – höchst zweifelhaft. Besseren Schutz böte daher die
Stärkung des Insolvenzantragsrechts der Gläubiger, und dies gegenüber allen
Gesellschaften. Ohnehin stellt die starre Insolvenzantragspflicht des deutschen
Rechts nach verbreiteter Auffassung eine „Sanierungsbremse“ dar – ein Umstand,
der gerade in jüngerer Zeit immer wieder Anlass dafür war, deutsche Insolvenzen
nach England zu verlegen!
Erleichtert und
vereinfacht
Unverändert gegenüber dem Referentenentwurf will auch
der Regierungsentwurf das Recht der kapitalersetzenden Darlehen erheblich
vereinfachen und – allgemeiner als bisher – sämtliche Kreditforderungen eines
Gesellschafters (aber auch nur diese) in der Insolvenz nachrangig bedienen. Das
mag schematisch sein, ist aber leichter nachvollziehbar als das noch geltende
Recht. Neu im Regierungsentwurf ist, dass „verdeckte Sacheinlagen“ nur noch dann
schädlich sind, wenn die übernommene Stammeinlage wertmäßig nicht gedeckt ist.
Die bislang übliche gegenständliche Betrachtungsweise wird damit aufgegeben.
Damit wird vor allen Dingen das „cash pooling“ (also die konzerninterne
Liquiditätssteuerung) erleichtert und die in diesem Punkte von der Praxis als zu
restriktiv empfundene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
aufgehoben.
Insgesamt: Das MoMiG bringt das deutsche GmbH-Recht
deutlich nach vorne. Es wird sicherlich für eine „Wiedergeburt“ der deutschen
GmbH sorgen und vor allem dazu beitragen, die Flucht in die
Auslandsgesellschaften zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Also: nicht mini,
sondern maxi.
Quelle: F.A.Z von Heribert Hirte
Der Autor ist
Universitätsprofessor und Geschäftsführender Direktor des Seminars für Handels-,
Schifffahrts- und Wirtschaftsrecht, Hamburg.
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