Durchgriffshaftung bei der Limited Gesellschaft in der Türkei

von Insolution Team

I. Einleitung

Nach türkischem Gesellschaftsrecht ist die Haftung der Gesellschafter mit der Erfüllung des verpflichteten Stammkapitals beschränkt. Nach der Erfüllung dieser Verpflichtung sind die Gesellschafter grundsätzlich von der Haftung befreit (Art. 532 TR-HGB).

Es haftet gegen die Gläubiger nur die Gesellschaft selbst mit ihrem eigenen Vermögen. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter wegen den Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist ausgeschlossen.

Eine Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter (der Limitedgesellschaften) ist ausnahmsweise aufgrund der Schulden der Gesellschaft gegen öffentliche Behörden wie Steuer- oder Sozialversicherungsschulden etc. gesetzlich vorgesehen. Diesbezüglich wird zwischen den Gesellschaftern der Aktien- und der Limitedgesellschaft unterschieden. Anders als bei Limitedgesellschaften wird für Gesellschafter der Aktiengesellschaften keine Durchgriffshaftung vorgesehen.

Die Limitedgesellschafter haften auch in einigen einzelnen Fällen persönlich wie bei nicht ordnungsgemäßen Zahlungen durch die Gesellschaft, Nichtzahlung des verpflichteten Stammkapitals oder wegen Nichtzahlung des verpflichteten restlichen Stammkapitals durch den Anteilsübernehmer im Falle der Anteilsübertragung persönlich. In diesen Fällen haftet der Gesellschafter direkt der Gesellschaft gegenüber.

II. Rechtslage für Gesellschafter der Limitedgesellschaften

Die Haftung des Gesellschafters der Limitedgesellschaft ist grundsätzlich beschränkt mit der Zahlung seines Stammkapitals. Er haftet nicht gegen die Gläubiger der Gesellschaft. Deshalb darf der Gläubiger der Limitedgesellschaft auf keinen Fall seine Forderungen gegen den Gesellschafter der Gesellschaft geltend machen. Selbst wenn die Gesellschaft für zahlungsunfähig (aciz) erklärt wurde und selbst wenn der Gesellschafter seinen Stammkapitaleinzahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, dürfen die Gläubiger keine Forderungsklage gegen ihn erheben.

Das Recht, die Nachzahlung des noch nicht eingezahlten Stammkapitals aufzufordern, gehört ausschließlich der Gesellschaft selbst. Wenn die Gesellschaft aufgelöst wurde, ist der Liquidator und wenn Insolvenz eröffnet wurde, ist der Insolvenzverwalter berechtigt, den Gesellschafter für die Nachzahlung des nicht gezahlten Stammkapitals zu klagen (Y 11 HD 26.10.1978 E. 1978/4860 K. 1978/4746).

Allerdings wird für die Gesellschafter der Limitedgesellschaft Ausnahmen der beschränkten Haftung vorgesehen. Diese werden wie folgt erläutert.

1. Durchgriffshaftung wegen Gesellschaftsschulden gegen öffentliche Stellen

Die wichtigste Ausnahme der beschränkten Haftung des Limitedgesellschafters stellt die persönliche Haftung wegen den Schulden der Gesellschaft gegenüber den öffentlichen Behörden wie das Finanzamt und Sozialversicherungsbehörde. Der Limitedgesellschafter haftet also gegenüber dem Staat mit seinem Privatvermögen!

Art. 35 des Gesetzes mit der Nummer 6183 über das Beitreibungsverfahren der öffentlichen Forderungen regelt diese Angelegenheit wie folgt:

„Die Gesellschafter der Limitedgesellschaft haften wegen den öffentlichen Forderungen, die vollständig oder teilweise nicht eingezogen werden konnten oder scheinbar nicht eingezogen werden können, in Höhe der Proportion der gehaltenen Anteile unmittelbar und werden entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes geklagt. Im Falle der Anteilsübertragung haften sowohl der Verkäufer als auch der Käufer wegen der Zahlung der öffentlichen Forderungen für den Zeitraum vor der Übertragung entsprechend dem ersten Absatz gesamthänderisch. Wenn die Anteilsinhaber während der Veranlagung und Fälligkeit unterschiedliche Personen sind, haften diese für die Zahlung der öffentlichen Forderungen entsprechend dem ersten Absatz gesamthänderisch"

Madde 35 - (Değisik: 22/7/1998 - 4369/ 21 md.)

Limited sirket ortakları sirketten tamamen veya kısmen tahsil edilemeyen veya tahsil edilemeyeceği anlasılan amme alacağından sermaye hisseleri oranında doğrudan doğruya sorumlu olurlar ve bu Kanun hükümleri gereğince takibe tabi tutulurlar. (Ek fıkra: 4/6/2008-5766/3 md.) Ortağın sirketteki sermaye payını devretmesi halinde, payı devreden ve devralan sahıslar devir öncesine ait amme alacaklarının ödenmesinden birinci fıkra hükmüne göre müteselsilen sorumlu tutulur.

(Ek fıkra: 4/6/2008-5766/3 md.) Amme alacağının doğduğu ve ödenmesi gerektiği zamanlarda pay sahiplerinin farklı sahıslar olmaları halinde bu sahıslar, amme alacağının ödenmesinden birinci fıkra hükmüne göre müteselsilen sorumlu tutulur.

Nach dem Gesetz mit der Nummer 6183 sind Steuern, Abgaben, Gebühren, Verwarnungsgelder, Gerichtskosten, Steuerbußgelder und -strafen, Geldstrafen, weitere Forderungen aufgrund der öffentlichen Leistungen... als „öffentliche Forderung" bezeichnet.

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wird die persönliche Haftung der Gesellschafter der Limitedgesellschaft gewissermaßen eingegrenzt. Es wird vorausgesetzt, dass

a. die öffentliche Forderung primär gegen die Gesellschaft geltend gemacht worden ist und von ihr nicht eingezogen werden konnte oder

b. die öffentliche Forderung offenbar von der Gesellschaft nicht eingezogen werden kann.

Diese Kriterien sollen mit den objektiven Tatsachen begründet sein. In diesem Sinne kann auf die Gesellschafter durchgegriffen werden, wenn beispielsweise die Gesellschaft kein pfändbares Vermögen mehr besitzt, das gepfändete Vermögen für die vollständige Erfüllung der öffentlichen Forderung nicht ausreicht, im Falle der Insolvenzeröffnung die Masse für die Begleichung der Schulden nicht ausreichen würde oder die Gesellschaft nicht zu erreichen ist.

Somit ist festzustellen, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter nicht primär und nicht gesamthänderisch ist. Es handelt sich hier vielmehr um die sekundäre Haftung, nachdem die Forderung trotz Einleitung rechtlicher Schritte gegen die Gesellschaft nicht beigetrieben werden konnte (Danıstay 4. Dairesi E. No: 2006/914,K. No: 2006/2039).

Eine weitere Eingrenzung (Aufteilung) der persönlichen Haftung des Gesellschafters der Limitedgesellschaft erfolgt damit, dass er mit den öffentlichen Schulden in Höhe seiner Anteile proportional haftet. Bis 1999 war es mit der Höhe des Stammkapitals begrenzt. Seitdem wurde der Haftungsumfang mit der neuen Proportionalitätsregelung erweitert. Nunmehr haftet beispielsweise ein Gesellschafter mit 10 % der Anteile bei öffentlichen Schulden in Höhe von 1.000.000,00 Euro mit 100.000,00 Euro und der weitere Gesellschafter mit 90 % der Anteile mit 900.000,00 Euro.

Zu beachten ist hier, dass die persönliche Haftung nicht mit einer fixen Summe eingegrenzt ist und je nach realer Höhe der Schulden beliebig wachsen kann. Aus diesem Grund müssen die Gesellschafter der Limitedgesellschaften die Finanzen der Gesellschaft ständig im Auge behalten.

Die Steuern- und Sozialversicherungsschulden müssen ordentlich gezahlt werden. Bei Zahlungsunfähigkeit müssen die Gesellschafter handeln. Nach der neuesten Regelung des Art. 35 in 2008 haftet nunmehr auch der von der Gesellschaft bereits ausgeschiedene Ex-Gesellschafter der Limitedgesellschaft wegen den vor der Anteilsübertragung veranlagten öffentlichen Schulden gesamthänderisch weiter mit seinem Privatvermögen.

Die in Deutschland vorgesehenen Voraussetzungen wie Vermögensmischung, Unterkapitalisierung oder Missbrauch der Gesellschaftsform für die Durchgriffshaftung sind in der Türkei nicht bekannt.

2. Haftung wegen nicht ordnungsgemäßen Zahlungen

Nach Art. 532 I TR-HGB haften die Gesellschafter der Limitedgesellschaft in Höhe des von ihnen erhaltenen Betrages persönlich, wenn diesen das Stammkapital vollständig oder teilweise zurückgezahlt worden ist oder unberechtigt Dividende oder Zinsen gezahlt worden sind. Die Gesellschafter haften in diesen Fällen der Gesellschaft gegenüber und nicht den Gläubigern gegenüber.

3. Haftung wegen Nichtzahlung des verpflichteten Stammkapitals

Nach Art. 532 III TR-HGB haften die Gesellschafter der Limitedgesellschaft persönlich, wenn die Gesellschaft die Anteile eines Gesellschafters wegen Nichteinzahlung des verpflichteten Stammkapitals nach Art. 526 I TR-HGB aus einem anderen Grund als Stammkapitalerfüllung von übernommen oder gepfändet hat. Hier ist der eigentliche Schuldner der Käufer dieser Anteile. Wenn der zu zahlende Betrag von ihm nicht eingezogen werden kann, kann es sekundär den Gesellschaftern gegenüber geltend gemacht werden.

4. Haftung wegen Nichtzahlung des verpflichteten Stammkapitals durch den Anteilsübernehmer

Wenn ein Gesellschafter das von ihm verpflichtete Stammkapital nicht einzahlt, kann er nach Art. 529 TR-HGB von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Sein Anteil wird dann ggf. mit Versteigerung verwertet. Der erzielte Betrag wird mit dem zu zahlenden Stammkapital verrechnet. Wenn er trotzdem noch der Gesellschaft schuldig geblieben ist, haftet er davon weiter. Jedoch haften wegen diesem Differenzbetrag auch alle vorherigen Gesellschafter innerhalb von 5 Jahren vor der Anteilsübertragung (Art. 531 TR-HGB).

III. Rechtslage für Gesellschafter der Aktiengesellschaften

Anders als bei den Limitedgesellschaften sind keine Ausnahmen der beschränkten Haftung für die Gesellschafter der Aktiengesellschaften vorgesehen. Die Gesellschafter sind befreit von jeglicher persönlichen Haftung gegen die Gläubiger der Gesellschaft. Wegen den Forderungen der öffentlichen Stellen besteht keine Durchgriffshaftung.

IV. Ergebnis

  • Nach türkischem Recht haftet gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft die Gesellschaft selbst.
  • Die Ausnahme dieser Regel stellt die Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter der Limitedgesellschaften wegen den Schulden der Gesellschaft gegen die öffentlichen Stellen dar. Jedoch ist die persönliche Haftung hier sekundär und tritt erst dann ein, wenn die Forderung von der Gesellschaft nicht eingezogen werden konnte oder offenbar nicht eingezogen werden kann.
  • Jeder Gesellschafter der Limitedgesellschaft haftet in Höhe seiner Anteile proportional. Eine fixierte Obergrenze der persönlichen Haftung gibt es nicht. Deshalb sollen die Gesellschafter die Finanzen der Limitedgesellschaft sorgfältiger prüfen.
  • Für die Gesellschafter der Aktiengesellschaften wird keine Durchgriffshaftung (auch wegen den Schulden gegen öffentliche Stellen) vorgesehen.
  • Der Gesellschafter der Limitedgesellschaft ist hinsichtlich der Durchgriffshaftung schlechter gestellt als Gesellschafter der Aktiengesellschaft.

Quelle: anwalt.de / Rechtsanwalt Dr. jur. Fatih Dogan (Schindhelm Türkei)

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