Grenzüberschreitende Fusionen werden leichter

von Insolution Team

EU-Richtlinie nach 30 Jahren Diskussion verabschiedet - Italien stimmt als einziges Land im Ministerrat dagegen. Brüssel - Mehr als 30 Jahre lang ist in der EU über die Richtlinie gestritten worden, am Ende wurde sie still und leise abgenickt: Mit der Gegenstimme von Italien hat der Ministerrat der Union die internationale Verschmelzungsrichtlinie angenommen.

Das EU-Gesetz wird auch die deutsche Unternehmenslandschaft merklich verändern, wenn es binnen zwei Jahren in deutsches Recht umgesetzt ist. Denn dann können sich Firmen aus zwei EU-Ländern bequem zusammentun, ohne zum Konstrukt der Europa AG greifen zu müssen. Das ebnet vielen Unternehmen den Weg ins Ausland, etwa, um Steuervorteile zu nutzen.

"Auch der Mittelstand wird von den neuen Chancen der grenzüberschreitenden Fusion regen Gebrauch machen und den optimalen Unternehmensstandort wählen", glaubt Clemens Philipp Schindler vom Münchener Büro der Kanzlei Haarmann Hemmelrath. "Zum ersten Mal gibt es jetzt die Möglichkeit, mit überschaubarem finanziellen Aufwand über die Grenzen zu gehen." So gerate etwa für bayerische Firmen erstmals Österreich mit seinen attraktiveren Steuerbedingungen in greifbare Nähe.


In steuerlicher Hinsicht sind grenzüberschreitende Zusammenschlüsse schon seit 1990 geregelt. Doch im Gesellschaftsrecht hinkt die Regulierung hinterher. Dabei wird schon seit 1972 über grenzüberschreitende Verschmelzungen diskutiert. Doch die Harmonisierungsbemühungen scheiterten bisher am Zankapfel Mitbestimmung.


Dafür wurde aber doch noch ein Kompromiß gefunden. Dem hatte bereits im Mai das Europaparlament zugestimmt, das "Ja" des Ministerrats war nur noch eine Formalie: Bei Firmenhochzeiten können sich künftig beide Seiten vor der Fusion auf ein beliebiges Mitbestimmungsmodell einigen. Falls das mißlingt, können die Mitgliedsstaaten bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie eine abgeschwächte Form der Arbeiternehmerbeteiligung vorsehen. Das könnte bedeuten, daß die Arbeitnehmervertretung in der Unternehmensführung auf ein Drittel begrenzt würde.


Die noch unveröffentlichte Richtlinie stellt neben der im Oktober 2004 eingeführten Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) eine zweite Variante der grenzüberschreitenden Vereinigung von Kapitalgesellschaften. Danach könnte beispielsweise eine GmbH mit Sitz in Deutschland auf eine italienische verschmolzen und dann nach italienischem Recht geführt werden. Das kann in mehrfacher Hinsicht von Vorteil sein.


So gibt es künftig zum Firmenkauf eine neue Fusionsalternative. Ein Kauf zwingt meist zu einer komplizierteren Konzernstruktur, weil eine zusätzliche Ebene geschaffen werden muß. Zudem gibt es steuerliche Nachteile, weil alle stillen Reserven aufzudecken sind.


Einfacher ist es künftig auch, wenig erfolgreiche Aktivitäten im Ausland zu beenden, ohne die Firma liquidieren zu müssen. Damit könnten beispielsweise langfristige Zuliefererverträge gesichert werden. Ein Beispiel: Ein deutsches Unternehmen hatte neue Märkte in Polen erschließen wollen und dort eine Firma nach polnischem Recht gegründet, die aber nicht recht auf die Beine kam. Allerdings konnten zwei Zulieferbetriebe zu günstigen Konditionen verpflichtet werden. Diese Verträge verloren bisher bei einer Liquidation ihre Gültigkeit. Die neue Richtlinie regelt bei Verschmelzung der polnischen mit der deutschen Firma nun aber "Gesamtrechtsnachfolge". Das heißt, alle bestehenden langfristigen Liefer-, Kunden- oder Mietverträge können an das deutsche Stammunternehmen übergehen.


Die Richtlinie kann Deutschland zwar eine Firmenfluchtwelle bescheren, aber möglicherweise kaufen sich auch mehr ausländische Investoren als bisher ein, weil sie nicht mehr den Zwang des deutschen Gesellschaftsrechts fürchten müssen. "Das deutsche Gesellschaftsrecht ist international unpopulär. Viele Investoren fühlen sich darin eingesperrt", meint Fusionsexperte Schindler.
Quelle: welt.de von Hannelore Crolly

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